Wieder nehme ich diesen Monat an dem Schreibprojekt #oneshortyear teil:
Worum gehts? Am Ende jeden Monats (von Juli 2020 – Juli 2021) gibt es jeweils ein Thema – gesucht werden Kurzgeschichten von entweder bis zu 1000 Worten, oder einen Prompt mit deutlich mehr Worten usw. usf……
Wer es am Ende (Juli 2021) in die Anthologie schafft, wird erst nach Ablauf des langen kurzen Jahres bekanntgegeben.
Thema Mai 2021:

Ursprünglich war die Story als „Gruselgeschichte“ geplant, weil ich in diesem Genre nie schreibe. Mittlerweile kommt mir die Kurzgeschichte aber eher wie eine Satire vor. Aber es hat auf jeden Fall Spaß gemacht, einmal in ein anderes Metier zu schnuppern.
Ich hoffe, ihr habt beim Lesen ebenso Spaß (und nicht allzu viel Grusel), wie ich beim Schreiben.
Coffee to go
Heute war ein erfolgreicher Shoppingtag für meine Freundin und mich. Vollbepackt mit etlichen Taschen in den Händen machen wir uns auf den Weg zum Auto. Als wir aus einer Seitengasse in die Fußgängerzone der Kleinstadt abbiegen, steigt mir ein herrlicher Geruch in die Nase. Kaffee! Ich brauche dringend Koffein.
„Schau mal, ein Coffee Shop, magst du auch einen?“, frage ich Julia.
„Grundsätzlich ja, aber ich hab da unlängst in einer Zeitschrift gelesen, dass es in diesen Shops nicht mit rechten Dingen zugeht. Also lass´ mal!“, war ihre Antwort. Ich muss schmunzeln. Julia und ihre fragwürdigen Magazine.
„Ich bitte dich. Wo hast du da bloß wieder nachgelesen? Egal. Ich bin gleich wieder zurück, vorausgesetzt, der Shopmitarbeiter frisst mich nicht auf“, lache ich und öffne die Tür schwungvoll.
Einige Gäste sind an den Stehtischen mit ihren Rührstäben und Strohhalmen ihrer Becher beschäftigt. Ich schlendere in meinem neu erstandenen weißen Sommerkleid an die Theke. Es duftet herrlich verführerisch nach frisch gerösteten Kaffeebohnen. Die Dame an der großen Maschine begrüßt mich freundlich und fragt nach meinen Wünschen.
„Einen Becher Latte Macchiato bitte, zum Mitnehmen!“, antworte ich und stelle die Einkaufstaschen ab, um die Geldbörse zu suchen.
„Hat sie Macchiato gesagt?“, ruft eine Stimme aus dem Hinterzimmer.
„Ja, schon wieder so eine, die es auf die harte Tour will“, entgegnet die Dame am Tresen und lacht hexenhaft.
„Hab ich mich verhört? Ja, der Tag war anstrengend, aber hat sie das jetzt wirklich gesagt?“. Verdutzt schaue ich mich um. Die Kaffeemaschine knattert und pfeift, eine grünliche, stinkende Dampfwolke steigt aus den Düsen auf. Die Verkäuferin lacht mit weit aufgerissenem Mund und ich kann ihre schwarzen, faulen Zähne sehen. Die Augen quellen ihr hervor und an der Hand, welche den Kaffeebecher hält, wachsen soeben lange, krallenhafte Fingernägel. Aus den Regalen erheben sich alle Becher, scheinen Anlauf zu nehmen und schießen auf mich zu, Zuckerdosen fliegen mir um die Ohren, ich bücke mich und versuche, die herumfliegenden Teile abzuwenden. Die Milchkannen kommen angeflogen und es ergießt sich rote, klebrige Flüssigkeit über mein neues Kleid. Ich halte beide Arme in die Höhe und schreie laut auf, will weglaufen, meine Füße scheinen aber angeklebt zu sein, ich kann mich nicht bewegen. Jetzt drehe ich mich zu den Gästen um, die da vorher noch im Raum standen, kann aber niemanden mehr entdecken, nehme nur mehr einzelne, blutende Körperteile wahr. Hier ein Arm, der durch die Luft schwingt, da ein nackter Fuß, der über die Tische und Bänke läuft, ein Kopf, der nun auf einer meiner Einkaufstaschen landet. Er ist von einer Frau mit langen, roten Haaren. Sie schreit mich an: „Was bestellst du auch Latte Macchiato, bist du nicht ganz bei Sinnen?“
„Aber warum? Was habe ich denn getan?“. Mir wird plötzlich schwindlig, alles dreht sich um mich herum. Die herumfliegenden Arme kommen auf mich zu, eine bluttriefende Hand greift in meine Haare und zieht kräftig daran, es fühlt sich an, als würden mich die Finger skalpieren wollen. Ich schreie und will den Arm wegstoßen, die fremde Hand ist aber so festgekrallt, dass ich keine Chance habe. Ein unbeschuhter Fuß tritt mir in die Magengrube, ich gehe in die Knie, kann meine Füße noch immer nicht von der Stelle bewegen. Mir wird übel und ich kämpfe gegen die Hand in meinen Haaren und gegen den Fuß, der mich immer noch tritt. Der Kopf in meiner Tasche setzt sich in Bewegung, zielt Richtung meinen Unterarm, der verzweifelt nach dem Fuß schlägt und jetzt beißt der Mund der Rothaarigen zu! Als wäre das nicht genug, kommen auch noch Rührstäbe in einem hohen Tempo angeflogen und verhaken sich in meinen Ohren und in den Nasenlöchern. Stechende Schmerzen durchbohren meinen ganzen Körper, ich weiß nicht mehr, wie ich mich noch schützen könnte, versuche, mich aus den Highheels zu befreien, damit ich dann weglaufen kann, aber es mag mir nicht gelingen. Ein grauenhafter Geruch steigt mir in die Nase, Batteriesäure ähnlich, ich muss würgen.
„Will sie immer noch Macchiato?“, höre ich die Stimme aus dem Hinterzimmer wieder.
„Das ist eine harte Nuss, die gibt nicht auf!“, antwortet die Hexe hinter der Theke.
„Einen Espresso!“, rufe ich heiser.
Nach einem lauten Ruck und blinkender Beleuchtung im Raum herrscht abrupt Stille. Die Kaffeemaschine blubbert ruhig vor sich hin, die Verkäuferin strahlt mich mit einem Lächeln und makellosen weißen Zähnen an. Alle Gäste sind wieder vollständig zusammengebaut an ihren Plätzen und unterhalten sich gedämpft. Es riecht nach Espresso und die Dame will ihn mir gerade reichen, als ich, mich endlich wieder bewegen könnend, die Taschen packe und aus dem Shop stürme. Julia sieht mich verwundert an.
„Warum rennst du denn so?“, will sie wissen. Ich lasse die Einkaufstaschen fallen, greife mir ins Gesicht, suche Rührstäbchen und fremde Körperteile an meinem Haupt. Meine Kopfhaut schmerzt, aber die Frisur scheint zu sitzen.
„Wie sehe ich aus? Ist alles heil an mir?“, frage ich meine Freundin. Sie lacht laut auf und klopft sich mit der linken Zeigefingerspitze gegen ihre Schläfe.
„Spinnst du jetzt? Du siehst ganz normal aus. Warst ja nur zwei Minuten weg. Was ist denn los?“. Ich atme tief durch.
„Ah, da ist doch was! Du hast Kaffeeflecken auf dem neuen Kleid.“ Sie zeigt mir die Stelle.
„Wo ist dein Kaffee?“, fragt sie verwundert.
„Ich habe Macchiato bestellt……“, stottere ich.
„Soso, einen Befleckten hast du gewollt. Du weißt ja, Macchiato heißt befleckt oder verschmutzt, jetzt siehst du mal, was du davon hast!“.
Typisch meine Freundin. Sie lacht, bückt sich um die Einkaufstaschen, hakt sich bei mir ein und wir machen uns auf den Weg zum Auto.

https://www.kuechengoetter.de/uploads/media/1800×1200/05/24145-latte-macchiato.jpg?v=2-2#-1
Foto: im Web gefunden
Oh gruselig 🙈 mal ganz anders aber spannend 👍😍😘
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